Donnerstag, 03. Juli

Veröffentlichung von F@ vom 23.09.2007 in der Rubrik Leben. Letzte Änderung am 23.09.2007.

 

Ein Tag im September

Verkatert aufgewacht, die Vorhänge ließen schon einige Strahlen der Nachmittagssonne in mein Zimmer. Ich versuchte irgendwo den Radiowecker zu erspähen, um mich zu vergewissern: ich war in meinem Zimmer, es war gestern spät geworden, wie jeden Tag, fast keine Kopfschmerzen.
Der Fernseher lief noch, ohne Ton – mal wieder über den Angeboten von mehr oder minder seriösen Telefonseelsorgeinstituten (Spiel mit mir, Spritz auf meine Titten, Heiße Boys aus meiner Umgebung) weggesackt, mal wieder nicht nüchtern gewesen, egal. Mal sehen was im Videotext steht. Ah ja, Unfall auf der Autobahn, Vergewaltigung und Arbeitslosigkeit, irgendwas in Amerika. Na toll, mal wieder nur Mist in der Glotze.
Was geht da in Amerika? Sieht ja aus wie eine Reklame. Krass. Die Piloten waren besoffen und haben gewettet, zwischen den New Yorker Türmen entlang zu fliegen? Kann gar nicht sein. Zapp zapp. Irgendwo muss doch Takeshis Castle laufen, und ich lache ja so gerne über die mehr als lächerlich kostümierten und um keine Peinlichkeit verlegenen Japaner, die sich in Gruppen von bis zu 150 Mann von einem obskuren, aber durchaus ernst zu nehmenden General in bunten Hosen durch einen Hinderniskurs mit einer Menge Fallen, Löchern und anderen Gemeinheiten hetzen lassen, um die Burg des Fürsten Takeshi zu erobern. In 10 Etappen wird die Zahl der Angreifer von den Truppen des Fürsten größtenteils dezimiert, so auf etwa 3 bis 7 Teilnehmer, und im Finale dürfen die übrig gebliebenen Kostümträger dann auf verschiedene Art und Weise versuchen (meistens gibt es die Variante mit den fahrenden Gestellen und den Wasserpistolen, mit denen es eine Scheibe aus etwas, das eine Ähnlichkeit mit Kaffeefiltern hat, zu treffen gilt und zu durchlöchern, denn dann haben die Angreifer gewonnen) die Burg zu erobern. Das klappt in 98 Prozent der Sendungen nie, ist aber durchaus unterhaltsam – und das Kampfgebrüll der Japaner unterstreicht auf subtile Weise die Szenerie und fördert das Anspannen der Gesichtsmuskeln. Was ist los, zum Teufel? Zapp zapp.
Schon wieder Amerika oder was? Hm, mal sehen. Sieht Scheiße aus, in dem Flugzeug hätte ich nicht gerne gesessen. 20 Kanäle, mal durchschauen. Volksmusik, Talk, Amerika, Nachrichten, Talk, Cartoons, MTV zeigt nur Müll, Viva sowieso, New York, ah ja, CNN, sehe ich da wirklich gerade tausende von Menschen sterben oder was zur Hölle ist da eigentlich los? Mal hinsehen und zuhören... Bitte was? Angriff? Absturz? Pentagon auch? Da kann wohl jemand Amerika überhaupt nicht leiden oder wie? Duschen. Kaffee und ein befriedigender Morgenschiß. Mal beim Araber nebenan klopfen. „Nichts ist unmöglich, Afghanistan!“ High Five. Toufan scheint die Lage Amerika schon einige Minuten länger als ich verfolgt zu haben, und wir sitzen auf seinem Sofa, trinken Kaffee und hören Peter Klöppel zu, der uns mit hochgezogenenen Augenbrauen etwas erzählt, Terrorangriff, live on Air, wie ist die Lage in New York, Herr Sowieso? Der Kaffee ist fantastisch und weckt meine müden Knochen auf, ich schenke nach. Toufan auch? Klar!
Zapp zapp.
Zapp zapp.
Zapp verfluchte Scheisse das läuft ja überall! Mal sehen was das Internet sagt. Bild.de verkündet etwas über Fussball, nackte Tatsachen, Dieter Bohlen hat immer noch die Estefania zwischen den Beinen, und hier steht es ja – Action, Spaß und Abenteuer, Terrorangriff auf die USA, entführte Flugzeuge ins WTC gesteuert, Flugzeug stürzt auf Pentagon, Absturz in der Nähe von Brainwashington DC, wo ist die Kavallerie? Tausende Tote, beide Türme eingestürzt, ach was das kann ja gar nicht sein. Warum ist das Fuck-Internet eigentlich noch langsamer als sonst?
Telefon.
Ey, mach mal CNN an, da... Jaja weiß ich schon, sieht heftig aus.
Nochmal Telefon. Mein Vater.
Wie ist das jetzt mit deiner Zukunftsplanung?
Jaja, New York, schlimm schlimm. Da stecken bestimmt Deutsche dahinter, ist viel zu gut geplant.
Aha.
Klick, zapp zapp.
America under Attack – Trademark by CNN.
Uneingeschränkte Solidarität. Ach so, Herr Schröder.
Hamburg. Immer wieder Hamburg.
Atta. Al-Shehhi. Bin-Laden. Florida.
Klick, zapp zapp.
Schwarzer Tag für Viva.
Betroffenheit überall, mal echt, mal geheuchelt.
Auch ich bin heute ein Amerikaner.

 
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Kommentare zum Text "Ein Tag im September":

dk
schreibt am
25.09.2007 (09:53 Uhr)

hallo herzlich willkommen: ich seh nicht durch. betrachte den text von vielen seiten; politisch, alltäglich, gesellschaftlich, sozial, rein ironisch etc. - finde keinen standpunkt, entdecke einige spitzfindigkeiten und wertungen aber mehr nicht. sag vielleicht mal was dazu. für mich bisher viel zu undurchsichtig, daher schlecht lesbar. da du keinen expliziten standpunkt beziehst, soll dieser text evtl. zum selbst. denken anregen. da sind dann aber die unterschwelligen meinungen und kommentare falsch. ich weiß nicht, andere meinungen? gruß katja


 
ja
schreibt am
26.09.2007 (01:11 Uhr)

es erging mir ähnlich. Allerdings erwarte ich nicht unbedingt einen Standpunkt. Ich lese immerhin Medienkritik heraus, zynisch-gleichgültig gehalten. Widersprüchlich ist dann aber das Bekenntnis am Ende zum Inhalt vorher, der eher die Ferne betont.

Das erzählte reißt weder mit, noch habe ich einen Aha-Effekt.

Ich hätte etwas in der Art über Lady Dis Unfalltod schreiben können. Bei knapp dreitausend Toten (und an dem Tag waren ja noch ein Vielfaches sovieler Opfer vermutet worden) und den vielen springenden Menschen, fiel es mir persönlich schwer, mich mit meiner Nationalität auseinanderzusetzen. Egal, wie weit weg das war. Es war auch sofort klar, dass das Ereignis die Weltpolitik verändern würde. Weil es in den USA passierte.
Ich weiß nicht, ob irgendjemand an dem Tag Betroffenheit heuchelte. Das war nicht mein Eindruck.


 
F@
schreibt am
27.09.2007 (10:35 Uhr)

Erst einmal danke für die Willkommensgrüße. Der Text ist weder das eine noch das andere, zumindest habe ich mir nie Gedanken darum gemacht, ob er nun eine Medienkritik, das allseits beliebte USA-Bashing darstellt oder lächerlich macht, oder ob der Text einfach nur eine Momentaufnahme ist - vielleicht ist er aber auch nur eine kleine Erinnerung daran, wie ich den Tag hätte verbringen können. Auf jeden Fall fand ich den Text kontrovers genug, um ihn hier als meinen ersten Beitrag reinzustellen. Und ich lag wohl nicht ganz falsch damit. ;)


 
dk
schreibt am
27.09.2007 (10:41 Uhr)

meiner meinung nach sollte man sich vor der veröffentlichung eines solchen textes gedanken machen. ich stehe nicht auf usa-bashing leider hast du keine stellung bezogen; und der text bleibt nichtssagend, weil sich die dinge aufheben. meine kritik hat keine kontroverse gelobt und war auch nicht sonderlich positiv. aber vielleicht war es auch nur eine kleine erinnerung.


 
ja
schreibt am
27.09.2007 (11:08 Uhr)

übrigens kann man Überarbeitungen löschen, und stattdessen den Ursprungstext "bearbeiten". Meine Anregung.

Nee, nee, F@, so einfach ist das nicht. Ich sehe keine Kontroverse, eher sehr sehr dezente Provoziertheit. Aber auch nur, weil man als Leser das Gefühl hat, man solle sich durch die politisch unkorrekte Haltung des Erzählers so fühlen. Oder so.
Ich finde den Text weder gut noch schlecht genug, um mich drüber aufzuregen. Die Kommentierung erfolgt aus Höflichkeit dem neuen Autoren gegenüber, der bestimmt noch etwas in petto hat. Der Text... naja... er ist schlussendlich belanglos; hätte zum Ende hin aber durchaus etwas Relevantes abbilden können. Der letzte Satz verbaut so ziemlich alles.
Also: sei herzlich Willkommen. Ich, zumindest, freue mich auf mehr. Weiß nicht, ob ich das dann kommentieren mag.


 

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