Freitag, 11. Juli

Veröffentlichung von aj vom 05.03.2009 in der Rubrik Leben.

 

Gespielte Betroffenheit


Was für ein beschissener Tag. Meine Momentane Art und Weise mein Leben zu führen verlangt mir einiges ab. Ja ich jammere, aber Fresse jetzt, ich muß kotzen.
Ich bin nunmehr seit drei Tagen in einer mir fremden Wohnung, um sie auszuräumen. Entrümpelung heißt das in Fachkreisen, ja ich arbeite. Warum ich so etwas mache?! Nun, mein Vater sagte, es sei meist brotlose Kunst sich der Kunst zu verschreiben. Also bin ich brotloser Künstler geworden, vielleicht so eine Art Trotzreaktion, weil er so hart war und ich so gerne jammere. Künstler also. Künstler, Kunst, na ja, wer derartiges versucht zu definieren gehört größtenteils erschossen, aber feststellen läßt sich, das ich, ab einem bestimmten Alter, der Meinung war, ich müsste Texte verfassen, mich mindestens einmal die Woche mit meiner Band treffen um zu proben und meinen Lebensmittelpunkt in diesem Bereich setzen, um dann in selbst gewählter Armut zu leben und dieses Lebenskonstrukt durch Gelegenheitsjobs zu stützen, wie eben einem solchen, den ich gerade ausübe. Anderer Leute Leben wegräumen.
Eigentlich bin ich in dieser Firma als Maler angestellt. Na, sagen wir als Malerhelfer, habe ich doch diesen Beruf nicht ausgelernt, sondern ziemlich genau mittig der Lehrzeit abgebrochen, bzw.: Ich hatte die Schnauze voll, mich, nachdem meine erste Firma, in der ich die Lehre begann, die Hufe hoch gerissen hat und mich an eine zweite weiterleitete, von einem Vollidioten mit Alkoholproblem maßregeln zu lassen.
Eh ich dir die Nase breche verlasse ich den Raum, kannst ja mit raus kommen.

Um zum Wegräumen anderer Leute Sachen zurückzukommen. Meine jetzige Firma scheint die große Krise, die uns studierte Bänker eingehandelt haben, wohl ebenfalls erwischt zu haben. Jedenfalls beschränkt sich das Arbeitsangebot nun nicht mehr nur auf Malerarbeiten und so kommt es, daß ich eines morgens den Schlüßel in ein Türschloß stecke und mir Zugang zu einer völlig intakten Wohnung verschaffe. Die Flurwände schmücken drei große Fotos. Eine Tochter, einen Sohn, und eine Frau, ein Baby auf dem Bauch, in einem Bett liegend. Links der Eingangstür , eine Kommode , dort legte bisweilen der eigentliche Bewohner seine Schlüßel ab, um dann seinen Regenschirm in die dafür vorgesehene große Vase zu stecken und ins Wohnzimmer einzutreten.

Mein Arbeitsauftrag lautet für heute: Alles in blaue Säcke packen und nach draussen auf einen Hänger schleppen, groß Reine machen, Ratzekahl.
Sowohl das Mobiliar als auch die weitere Einrichtung sind der Norm entsprechend, Kaufhaus-Bestellkatalogware von Schrankwand über den Wohnzimmertisch, bishin zur Schlafzimmereinrichtung. Die Abstellflächen der Schrankwand sind mit einer Vielzahl von Dingen vollgestellt. Tünnif, würde meine Mutter sagen, Bierkrüge, Dekogläser, Portraitsfotos der Familie, eine Schale unbehandelten Bernsteins, wahrscheinlich während einer Reise selbst gesammelt. Wieder Fotos der Kinder an den Wänden und vier große Fotos eines Sees mit herrlich blauem Wasser. Bulgarien schätze ich.
Völlig intakt war übertrieben.Auf den zweiten Blick fällt mir die Eckcouch in Zusammenhang mit dem davor stehenden Tisch auf. Komplett zugemüllt. Der Lebensradius des hier vor kurzem noch vegetierenden Menschen betrug ca. anderthalb Meter. Essensreste, benutztes Geschirr, überfüllte Aschenbecher, Tabakkrümel auf Tisch und Boden, Tupperware mit undefinierbar organischem Inhalt, leere Kippenstummel aus deren letzten Fizzelchen Tabak sich noch eine weitere Kippe drehen ließ, Zeitungen, leere Bierflaschen und Flachmänner, eine Pornozeitschrift und wie ein Sahnehäubchen auf der Spitze des Müllbergs eine Geburtstagskarte mit der Aufschrift:
„Alles gute zum 50. Geburtstag,
..melde dich doch bitte mal wieder.
Mutti.“

Meine erste Reaktion: Ich bin angewidert. Dieser Zustand will sich auch nicht verbessern als ich dem Muff der Wohnung Luft mache, indem ich die Balkontür öffne und auch nicht als ich mit ein paar Schritten im Badezimmer ankomme und einen Haufen vollgeschissener Jeanshosen vorfinde. Und ich meine vollgeschissen. Der Typ hat sich in mindestens vier Hosen komplett entleert und ja, ich werde diesen Haufen Scheisse wegräumen dürfen. Entschuldigung, entrümpeln natürlich.
Ein Blick ins Schlafzimmer läßt darauf schließen, man(n) schlief hier allein und der braune Schmierfleck an der Wand belegt, Suff läßt sowohl den Arsch als auch die Balance unkontrollierbar werden. Der Typ muß hier mehre Abende lang wahre Scheiss-orgien veranstaltet haben. Nachdem er besoffen auf dem Lokus wach wurde hat er sich wahrscheinlich mit der blanken Hand den Arsch gewischt und hat sich gerade noch bis in sein Bett schleppen können, in dem er, natürlich nachdem er die Wand aufgrund von wackligen Beinen versaute, laut schnarchend seinen Rausch ausschlief.

Ich entledige mich einem Stoßseufzer und beschließe erst einmal eine zu rauchen. Ich schlendere zurück ins Wohnzimmer ,während ich mir eine Zigarette drehe. In der Schrankwand finde ich mehrere Fotoalben und nach kurzem Blättern kenne ich im Großen und Ganzen einen vagen Abriss eines gelebten Lebens. Dieses Leben war von Arbeit geprägt. Hier ein Foto mit Öl verschmierten Arbeitskollegen vor einer Riesigen Turbine, ein anderes bei einer Pause im Blaumann, die Stulle mit schmutzigen Händen in die Kamera haltend, aber glücklich. Bilder von geselligem Beisammensein im Schrebergarten, einander anlachende Personen beim Feiern, Hochzeitsfotos, Krankenhausfotos des Erstgeborenen, ein Portrait der Eltern, Bilder seines Zweiten Kindes, seiner Tochter, er selbst als stolzer Vater. Urlaubsbilder, Bilder eines ganz normalen Lebens ohne große Wünsche, arbeitsam und bescheiden. Dennoch schleicht sich ein ungutes Gefühl in jene Fotoidylle. Es scheint als würde der Typ, der nun ein Gesicht hat von Bild zu Bild immer mehr zerfallen. Sein einst normales Aller-Welts-Gesicht verändert sich mehr und mehr bis einem zum Schluß der Alkohol unnatürlich und entfremdet entgegen grinst, krank und zu einer Fratze verzogen.
Ich finde Lohnzettel. Eine ähnliche Entwicklung wie die seines Gesichtes. Ein paar Jahre bei einer GmbH, wohl als Maschinenbauschlosser, ein paar weitere bei einer kleineren Firma, dann folgen einige Zeitarbeitsfirmen und schließlich lese ich die Belegscheine verschiedener Lesezirkel für die er wohl in den letzten Jahren Zeitungen austeilte.

Ich beschließe noch eine zu rauchen und noch einen Stoßseufzer loszuwerden.

Wenn jemand verstirbt, denke ich, dann steht bei einer solchen Räumung sicher der ein oder andere Angehörige im Raum, um das ein oder andere vor dem Müll zu retten, als Andenken bzw. kleines Erbe sozusagen. Sicher gibt es auch Todesfälle wo dies nicht der Fall ist. Doch hier ist niemand gestorben, sondern vor die Hunde gegangen. In der nächstgelegenen Kneipe, in der ich meinen Kaffe in der Pause trinke, werde ich noch zu hören bekommen, das man ihn kenne, er Micha hieße und erst Montag noch Eier bestellt hätte, die wöchentlich geliefert werden. Gespielte Betroffenheit und dem Herren an der Theke ein Bier gezapft. Ja, wenn man ihn heute noch sieht würde man ihm bescheid geben, eventuell käme er, um persönliche Sachen vor dem Müll zu retten, eventuell der Kinder- und Hochzeitsbilder wegen.“Und den Fernseher?! Schmeißen sie denn etwa auch weg?“

Micha kam nicht, auch nicht der Bilder wegen.

Am ersten Tag der Entrümpelung, ging ich nach Feierabend mit einem mulmigen Gefühl nach hause, ob der Tatsache, das es nur an die fünfzehn blaue Säcke braucht, um ein Leben restlos auszulöschen, fünfzig Jahre , dem Alkohol verfallen. Außer gespielter Betroffenheit bleibt da nichts sichtbares oder gar hilfreiches. Aber hey, es ist halt ein Job und selber schuld..oder nicht?!Fuck!!
Ich fühl mich elend und meine Gedanken kreisen noch um Micha kurz bevor der Schlaf mir die Lampen auspustet, was für ein scheiss Tag.

 
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Kommentare zum Text "Gespielte Betroffenheit":

aj
schreibt am
05.03.2009 (15:03 Uhr)

Zugegeben, ziemlich lang. Was folgt da, allein des Gewohnheitsrechts wegen?! Viiiiele Fehler! ;P


 
ßi
schreibt am
05.03.2009 (23:31 Uhr)

ach scheiß auf die fehler. wenn du schiss (wat ick dir nu nich wirklich zutrau;) vor "ja's" standardkorrekturen haben solltest, die er wahrscheinlich im schlaf nebenbei macht und einfach der form halber anbringt, dann schick mir den text vorher und ich mach die pissige standardkorrektur kurz vorher. dann kann ich jedenfalls keine veröffentlichung von dir mehr verpassen.. ;) ach quatsch :)

sehr fieser text, der einen auf den boden der tatsachen zurückholt.
klingt sehr authentisch wie ne doku. wenn auf tatsachen beruhend findichs grenzwetig den namen zu nennen (oder viell das magazintypische "vom autor geänderter dekcname" einfügen). aber micha is nun auch kein seltener name, demzufolge auch nich eindeutig.
sehr fies, aber gut so. und gut, dass du dir das erlebnis ein wenig von der seele geschrieben, gearbeitet hast. und mit dem text haste ja quasi die erinnerungsarbeit ein wenig geleistet.
hatte auch schonma vor, innerhalb ner größeren geschichte (sollte was buchähnliches werden) die geschichte von dem zwölfjährigen (?) jungen einzuarbeiten, der von seiner mutter vernachlässigt seine drei jüngeren geschwister monate, wenn nciht sogar jahrelang irgendwie mit seinem noch unausgebildeten haushaltshaltungswissen durchgebracht hat und dabei regelmäßig zur schule gegangen is, wo niemand die mängel zur kenntnis nahm geschweige denn reagierte. leider habich bislang von dem buch nur stichpunkte geschrieben - es sind offenbar doch eher die texte mit 5 bis 20 zeilen länge, dir mir liegen - ach, genug der ausreden, ich müsst nur ma den arsch hochkriegen und mich wirklich dransetzen..!
ich finds verdammt wichtig solche geschichten so authentisch wie von dir beschrieben der öffentlichkeit zugänglich zu machen, eher noch: ihr auf die nase zu binden.
und zum glück gibts leute wie dich, die sowas nicht in nem saufabend verdrängen, sondern wirklich ernst nehmen und künstlerisch aufarbeiten.
(ich geh jetzt natürlich die ganze zeit davon aus, dass es authentisch is - wenn fiktion, dann verdammt glaubwürdig)

danke für die erinnerungsarbeit :)


 
ja
schreibt am
06.03.2009 (01:59 Uhr)
ausbeuterisch

Auch Leser haben Hirne -- und Nasen. Die "Fehler" sehe ich hier nicht in der Rechtschreibung, oder einigen stilistischen Mängeln.
Mir erscheint der Erzähler unglaubwürdig, und ich hoffe, dass er sich nicht allzusehr mit dem Autor deckt. Letzterer war mir bisher sympathisch.
Warum stinkt es in der Wohnung nicht? Ist es kalt in der Wohnung? Die Bankenkrise begann im Herbst. Jetzt ist noch Winter. Sorry, ich spüre so etwas beim Lesen. Sind die Fenster auf?
Was sollen die studierten Bänker? Man räumt ne Wohnung, bevor man malert. Ach watt. Soll man um die Kackjeans drumrumstreichen? Ne Fremdfirma beauftragen? Gibt doch den Erzähler. Soll er halt Schreiben lernen. Was sollen die Bänker?
Och, Mänsch, da hat ne Mutti ihr Kind übalebt. Schauma an. Der Suff hat Schuld.
Zweimal gelesen.
Wer ist Micha? Der inkontinente Tote wohl nicht. Und wer spielt Betroffenheit? Wer zapft? Nochmal les ichs nich. Jut Nacht.


 
ja
schreibt am
06.03.2009 (09:57 Uhr)
juten morjen

weil ich das Gefühl hatte, gestern Nacht wegen meiner schlechten Laune zu hart gewesen zu sein (war ich nicht), las ich es eben doch nochmal. Wenn auch nicht gründlich.
Es fängt im Präsens an. Drei Tage in einer fremden Wohnung. Einer Wohnung, nicht drei, nein.
Der Text endet am Ende des ersten Tages -- im Präsens. Hmm.
Ist das jetzt schlampig, oder Kunst?
Es böte sich an: heute (im Präsens) einleiten, spaßeshalber geschwätzig (so wies is), um eine falsche Fährte zu legen, in der Vergangenheit weitererzählen, und vorgestern aufhören zu erzählen (in der grammatischen Vergangenheit), weil es dem Erzähler zu viel wird.
Deutungen rausschmeißen. Bei Beobachtungen bleiben.
Um klarzumachen, dass Betroffenheit gespielt ist, muss das Wort "gepielt" nicht vorkommen.
Die Verelendungsängste des Erzählers würden so mehr Raum bekommen.
Es gibt den Begriff der "Betroffenheitsliteratur", tendenziell negativ belegt. Zu Recht. Spielst Du damit? Würde mich interessieren...
Ich erkenne keine Ironie.


 
aj
schreibt am
06.03.2009 (15:41 Uhr)

zu hart?!du waschlappen bist nicht hart, du erinnerst mich an einen yorkshire-terrier, klein und häßlich (ja dein erster beitrag ist einfach nur häßlich)-aber ne große fresse. ich unterschreibe dir auf jedem blatt, auge in auge wärst du nicht mal zur hälfte deines beitrages gekommen.
ich mochte und möchte dir nicht symphatisch sein, im gegenteil, wenn es einen gott gibt und er dich liebt, sorgt er dafür das wir beiden uns nicht real über den weg laufen, denn ich denke du hast dich ein wenig gehen lassen, ob du das so empfindest-scheiss der hund drauf, ich empfinde es so.ja du bist mir, wie du merkst, mächtig auf den schlips getreten, denn das ist wohl die ehrlichste arbeit (mit all ihren zeitfehlern-für die ich mich immer noch einen scheiss interessiere) die ich hier bisher abspeichern durfte.
ich weiß nicht ob es bei dir manisch ist, ich bat dich schonmal mich einfach zu ignorieren-tu es bitte, sonst sehe ich mich gezwungen dich a) wirklich zu hassen und b)hier zu verschwinden und bei letzterem ist mir der unsinn dir derart viel gewicht zu schenken zwar bewußt, aber da ich a) aus dem ff beherrsche fürchte ich um dein nasenbein und verlasse somit lieber vorher den raum.

an alle anderen, ich weiß ich mach mich lächerlich, aber eins scheine ich mit dem typen gemeinsam zu haben: ich komm gerade nicht aus meiner (ebenfalls häßlichen) haut, der typ macht mich mittlerweile einfach nur wütend.
ich freue mich aufrichtig, das es jemanden gibt der es wichtig findet jene geschichte gelesen zu haben, bzw. auf die nase gebunden bekommen zu haben.
wenn ich doch nur fähig wäre die masse an text dem positiv gesinnten beitrag zu widmen..


 
ja
schreibt am
06.03.2009 (22:44 Uhr)

Dies eine Mal noch wende ich mich an Dich. Du passt hier besser rein, als ich. Drum ziehe ich mich zurück (hatte ich eh schon mit angefangen). Damit will ich nichts über die Qualität dieser Seite sagen, oder so. Ist ein soziales Ding. Seit ich schreibe, veröffentliche ich hier. Es war mir eine Ehre.
Wenn Du das "ehrlich" findest, was Du hier gespeichert hast, dann reden wir eh nicht über erzählerische Unterschiede. Hier geht es mir um Würde. Ging es immer, was mich angeht. Auch Leser haben eine Würde. Bei der Darstellung der Lebens- und Sterbensbedingugen dieses Mannes und vor allem Deiner (?) Rolle darin, graust mir. Ich kenne solche Wohnungen zu genüge. Ich meine also nicht Deine irgendwie schonungslose Darstellung. Du schonst Dich halt selbst. Egal, wie fertig Du davon bist. Kunst verlangt uns das ab. Gott, den Du anführtest, und die anderen Leute, die mein Zeugs lesen, wissen, wie ich es meine. Wir sind einander schon recht nahe getreten, Du und ich. Mein Name ist Manfred Wätje, Deinen kenne ich nicht. Ich kann Nähe ertragen. Drum schreib ich. Kommentieren ist mir gar nicht so wichtig, Deine Texte waren es mir schon.


 
ßi
schreibt am
07.03.2009 (00:22 Uhr)

hey, hey, hey, jetzt fahrt mal die harten geschütze wieder ein!
ihr redet hier halb aneinander vorbei.
ich hab das gefühl, dass keiner von euch beiden die postition seines gegenüber wirklich kennt oder nachvollziehen kann. ich kenne sie auch nur jeweils teilweise, stückweise.
und keiner von uns kennt die lösung, die alles im innern zusammenhält.
ich würd mich freun, wenn ihr beide hier bleiben würdet, denn ich lese jeweils immer wieder gerne texte und kritiken von euch, kann einiges lernen und mitnehmen, auch wenn ich manchmal zum gegebenen zeitpunkt nur einen bruchteil davon verstehe.
wir künstler (ich verallgemeiner jetzt einfach mal;) brauchen vielleicht häufig ein wenig mehr anerkennung für unsere werke als zb. ein handwerker, der nicht erst auf die mittelbaren reaktionen angewiesen ist, sondern sein werk gleich und mehr oder minder unmittelbar vor sich hat und nach objektivierten kriterien bewerten kann. wir haben unseren stolz und sind angreifbar, weil wir unser inneres so oft in der luft preisgeben.
ich habe hier einige monate zu beginn meiner "papyros-karriere" ;) nach kommentaren und kritik gelechzt, fast gebettelt. ich wollte wissen, was die welt von meinen seltsamen werken hielt und mich doch erst einmal ein wenig anonym in sicherheit wiegen. und ich hab vernichtende kritik bekommen. aber festgestellt, dass kritik ein geschenk ist wie jedes andere. wer wirklich nichts mit dem text anfangen konnte, schrieb nur "scheiße" oder "toll". von daher war ich sehr glücklich, als sich zu dieser irgendwie familiären runde neue leute gesellten, die tatsächlich kritik übten, fast jeden text kommentierten, mehr sogar als ich zurückgeben konnte. eine lange zeit lang kamen hier wirklich ausschließlich die einzeiler-kommentare.

was haltet ihr davon, euch mal eure positionen gegenseitig wirklich klar zu machen? soweit ich weiß, kommt ihr beide aus der selben stadt und sogar aus ähnlichen ecken, seid aber einfach sehr unterschiedliche persönlichkeiten.
ok, ok, klingt alles sehr altklug und vielleicht hippiesk - aber wenn ich eins aus meiner eigenen biographie gelernt habe, dann zwei sachen: 1) dass sartres feststellung, dass dort, wo kommunikation abricht, krieg ausbricht, sich zu häufig bewahrheitet.
2) dass man gerade in den untiefen des lebens und der gefühle den humor nicht verlieren darf.

und irgendwie werd ich das gefühl nich los, dass ihr euch eigentlich einiges zu sagen hättet, so grob nach euren texten zu urteilen.

ok, seh grad, "ja" hat sich wohl bereits abgemeldet...
überhaupt "ja" gegen "aj" :D wirkt wie inszeniert. sorry.
also dass sie zwei erwachsene männer durch solche hanenkämpfe so in die haare kriegen können...

nu denn, genug von mir. jetzt wärs an euch.
lg an euch beide
miro


 
DT
schreibt am
23.04.2009 (12:48 Uhr)

Ich habe mir mehrmals den Text und die Kommentare zu Gemüte geführt. Auch in den anderen Texten gestöbert -- und in Kommentaren dieses Autors. Es ist ehrenvoll, vermitteln zu wollen, ßi.
Es ist wohl diese Auseinandersetzung, die mich hierher geführt hat, auf diese Seite, die so nett gar nicht "web 2.0" ist.

ja hat schlampig gelesen: lediglich der letzte Satz ist (wieder) im Präsens. Davor wäre ein Absatz angebracht, mag sein. Aber der Text fühlt sich an, als wäre er ohnehin von oben nach unten durchgeschrieben; und der Autor räumt selbst ein, daß ihm Formales nicht wichtig sei...

Inhaltlich fällt es mir schwerer, zu vermitteln.
Die Erfassung eines Lebens in Zigarettenlänge? Und dann mit so eindeutiger Bewertung... Ich weiß nicht... Vielleicht hatte der Mann zuletzt ein sorgloses, rauschvolles Leben, ohne bürgerliche Zwänge. Womöglich war er totkrank, und hatte kein Interesse daran, was er wem hinterlässt. Kränkend, mag sein, für Hinterbliebene, und seien sie Unbekannte.
Auch nach mehrmaligem Lesen wird mir nicht klar, wer Micha ist oder poetisch sein könnte. Der Verstorbene oder ein Hinterbliebener? Die betroffenheitsspielenden Kneipenleute haben nicht zugehört, und wollen den Verstorbenen grüßen? Aber was sollte ein Verstorbener mit Bildern?
Warum meint ßi, das verstanden zu haben, und ich nicht? Oder kann er darüber hinweg lesen, und ich nicht?

Wo sich gut vermitteln ließe, das wäre auf der Metaebene, beim Kunst-Begriff, vielleicht.
Es gibt verschiedene Formen des Schaffens (wie der Autor sagt). Wer sich unreflektiert dem Rausch hingibt, der geht immer die Gefahr ein, sich eine Blöße zu geben, die dieser oder jenem Rezipierenden (sorry, mir fällt kein brauchbareres Wort ein) unangenehm ist. (Das ist manchmal ein wenig wie Passivrauchen.) Für diese Hingabe kann man aber allemal (ergebnisunabhängig) dankbar sein.
In diesem Sinne: Danke.

S.


 
dk
schreibt am
30.04.2009 (11:57 Uhr)

habe keine zeit und keine lust eure dissonanzen zu gemüte zu führen und zu kommentieren. der text gefällt mir gut, da er mich berührt hat, auch wenn er klingt wie ein tagebucheintrag - ok, weckt er meine neugierde...wichtig wenn man möchte, dass er gelesen wird... ich weiß wozu er anregen soll. ich brauche keine details ob kälte oder geruch der wohnung; dazu habe ich ausreichend fantasie und auch ich kenne solche wohnungen und gerüche... gefühle und wallungen, tragik und anteilnahme. an manfred: es gibt massig vielfältige kunst; vllt. solltest du keinen standard festlegen, denn dann bewegst du dich im falschen lebensfeld.
btw: möchte ich nicht, dass du verschwindest alex. deine texte lesen liegt mir näher. schönen 1 mai euch allen.


 
bp
schreibt am
20.05.2009 (22:09 Uhr)

der text, mama mia, er ist okAY; NICHT DOLL; NICHT DURCHGEARBEITeT; GANZ NETT: ´die bänker zu beginn sind echt nur nichtssagende floskeln, der versuch, einen scheisstag in einer künstlerarbeit für unkünstlergeld einzubrigen ist künstlerisch nicht wirksam, aber er ist okay! der streit hier ist gaga. er findet auf einer dämlichen saloonebene statt, er lohnt nicht. deswegen geht keiner irgendwo raus. das ist nur ein spärlicher anlass, an den haaren herbeigezogen. zwei flaschen leer? na, dann prost!


 

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