Dienstag, 01. Juli

Veröffentlichung von RH vom 25.03.2010 in der Rubrik Tod.

 

Novemberelegien

Robin Hoffmann

 

November-Elegien

 

19./20.11.2008

 

 

*

Kalenderblättchen wechselt sich/

Die Stadt in violettem Licht/

Kommt der November, stresst er dich/

Eh der August vergessen ist.

 

 

Igel kriechen laut durch Laub/

Und den Katzen wird’s zu kalt/

Dünnes Fell nur auf der Haut/

In das sich die Klaue krallt.

 

 

Bis in tiefste Nacht das Stöhnen/

Kein Kissen, das den Lärm bedeckt/

Aus den Zimmern, aus den Höfen/

Klingt’s als ob ein Pferd verreckt.

 

 

Und die Leitung bleibt heut stumm/

Das Telefon gibt mir kein Zeichen/

Schon frei gestellt, im Suff und dumm/

Wirkt das Gesicht wie das von Leichen.

 

 

Bleich und alt und weiß und faltig/

Aus Augenhöhlen tropft der Wein/

Schon halb tot, noch nicht mal dreißig/

Soll es dann nun gewesen sein.

 

 

Durch die Bäume pfeift der Wind/

Wiegt das Holz, es knackt und knarzt/

An der Laterne liegt ein trunken Kind/

Für solche Krankheit gibt’s kein’ Arzt.

 

 

 

Und schon gibt er ihr bunte Mittel/

Pillen, Tröpfchen und Tabletten/

Ihn in seinem weißen Kittel/

Kann nur die Erregung wecken.

 

 

Weiße Schenkel, rosa Lider/

Eine Hüfte weich wie Samt/

Und ihr Hals riecht sanft wie Flieder/

Geruch, dem er nicht widerstand.

 

 

Sie ist halbtot, ihr Becken springt/

Hoch und nieder auf dem Sofa/

Als er auf ihr niedersinkt/

Merkt er, dass sie doch schon tot war.

 

 

Blickt in den Spiegel, weicht zurück/

Denn darin schaut er an den Wahn/

Sein Glied, noch weich, erreizt vom Glück/

Er weiß nicht mehr, was er getan.

 

 

Und draußen wird der Himmel grau/

Kein Stern, dessen Licht durchdrang/

Dem Arzt, ihm wird’s Gesicht jetzt blau/

Selbst gerichtet durch den Strang.

 

 

Der Monat, dem er einst entsprang/

Der hat sich noch nie geändert/

Die Tage kurz und Nächte lang/

Ganz normal: Es ist November.

 

 

Ein frischer Morgen, er wird eh neu/

Hat mehr gemeinsam mit der Nacht/

Am Mauervorsprung verwelkt Efeu/

Der traurig dann im Tode lacht.

 

 

Kalenderblättchen wechselt sich/

Zur Weihnachtszeit erschreckt man nicht/

Vor einem spitzen Messerstich/

Weil alles Schlechte bessert sich.

 

*

 

 
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