Sonntag, 11. Mai

Veröffentlichung von pm vom 07.01.2007 in der Rubrik Leben.

 

Gas



Seitdem ich eine Dauerfahrkarte besitze, habe ich die Annehmlichkeiten des Busfahrens entdeckt.
Aber etwas Unangenehmes gibt es auch beim Busfahren.
Zu manchen Zeiten fährt der Bus nicht, dann müßte man ein Stunde warten, wie an diesem Morgen.
Die Linie 15 kommt erst in vierzig Minuten, also zu Fuß bis zur nächsten Haltestelle.
Ich habe es nicht eilig.
Am Marktplatz gibt es drei Möglichkeiten, in die Stadt zu gelangen, warten muß ich aber auch hier.
Die Linie 36 kommt in acht Minuten, das reicht, ich habe Zeit.
Der Bus kommt, ich steige ein, wir fahren drei Haltstellen weiter, ohne daß ein Fahrgast zusteigt.
Wir sind also gut in der Zeit.
Dann steht der Bus vor einer roten Ampel, weiter vorne, da wo die Straße leicht nach links biegt, ist irgend etwas im Gange.
Grün, der Bus setzt sich gerade in Bewegung, als sich weit vor uns ein Feuerwehrwagen auf der Straße querstellt und die halbe Fahrbahn blockiert.
Polizeiwagen mit Blaulicht flankieren die Bürgersteige.

Vom hohen Bus aus ist schon aus der Ferne alles gut zu beobachten, trotzdem fährt der Busfahrer in die abgesperrte Fahrbahn und läßt den Wagen bis kurz vor vor der Straßensperre ausrollen.
Das war ein Fehler.
In rascher Fahrt schlängelt sich von hinten ein Transportwagen der Feuerwehr an dem Bus vorbei, der aber die Zufahrt versperrt.
Ein Feuerwehrmann bedeutet dem Busfahrer, daß er zurücksetzen soll.
Nur zögernd setzt er den Bus zurück, er ist nervös, kann nicht nach hinten sehen und der LKW drängelt, setzt zudem die Sirene in Gang.
Ihr heulender Ton läßt den Bus vibrieren.
Gekonnt schlüpft dann das schwere Fahrzeug mit Blaulicht durch die Lücke nach vorn.
Ein Feuerwehrmann erklärt dem Fahrer, daß die Straße wegen Explosionsgefahr gesperrt sei.
Im gleichen Augenblick treibt ein schwacher Wind Gasgeruch in unseren Bus.
Manche Fahrgäste werden unruhig, verlassen das Fahrzeug und wollen zu Fuß weiter, aber die gesamte Straße ist für den Autoverkehr und auch für die Fußgänger gesperrt.
Eine Frau zu meiner Linken meckert und macht sich Sorgen um das Zeitlimit ihrer Fahrkarte, mit der sie noch umsteigen will.Der Fahrer zuckt die Achseln, er ist überfordert und der Anschlußbus ist schon fort.
Genervt biegt er das Mikrofon vor seinen Mund und beschreibt dem Fahrdienstleiter die Lage und daß er keine Durchfahrt bekommt.
Er erhält die Anweisung, an Ort und Stelle zu bleiben und muß auf die Hilfe eines Mitarbeiters warten, der in zehn Minuten da sei.
Nun stöhnen die Fahrgäste doch auf, weil wir schon eine lange Viertelstunde warten und niemand weiß, wie und wann es weitergeht.
Auf dem Straßenstück vor uns ist nun Bewegung.
Die schweren Wagen stehen nun quer auf der Straße oder wechseln die Straßenseite.
Es wird rangiert, um einem weiteren Rettungsfahrzeug und einem Spezialfahrzeug für die Luftmessung Platz zu machen, die sich eilig durch die schmale Fahrgasse quetschen.
Auf uns wirkt das alles ziemlich chaotisch, aber es muß wohl ein Plan dahinterstecken.
Zur gleichen Zeit, als der weisungsbefugte Mitarbeiter am Fahrerfenster erscheint, um beim Zurücksetzen behilflich zu sein, löst sich vorne in der Sraße der Pulk aus roten und grünen Wagen auf.
Nach und nach wird die Straße wieder breiter - die Polizeifahrzeuge fahren auf die Bürgersteige und die schweren Rettungsfahrzeuge bahnen sich ihren Weg zum Fahrbahnrand oder verlassen die Gefahrenstelle, wie der Busfahrer dem Dienstleiter durch das Mikrofon mitteilt.
Die Straße liegt wieder breit und leer vor uns.
Es geht weiter.

 
Hat Ihnen dieser Titel gefallen? Ja oder Nein
Strasse   Weiter   Warten   Busfahrer   Minuten  Wagen
 

Kommentare zum Text "Gas":

dp
schreibt am
08.01.2007 (00:22 Uhr)

Der Text hat für mich irgendetwas spannendes, in den ersten drei vierteln. Dann spitzt sich die Lage immer weiter zu und plötzlich ist alles aus und ich erreiche die Menüleiste und suche nach dem Link für "Weiter". Du hast mich entäuscht stehen lassen, ohne Explosion oder Auflösung. Ohne das ich einen Sinn sehen konnte, ohne das die Frau, der Fahrdienstleiter, der Fahrer oder der Helfer sich zu Wort gemeldet haben. Eine ganze Reihe interessanter Figuren, und keine einzige verhält sich in irgendeiner Weise erhellend.
Dazu kommt noch das dein Stil zuweilen stockt. Zum Beispiel sind zwei "nun"s in zwei aufeinander folgenden Sätzen einfach viel zu viel. Vielleicht hilft es dir wenn du den Text einmal laut vorliest, ich finde man merkt dann am deutlichsten wo es hackt.
Oder ich habe den Sinn einfach überhaupt nicht erkannt - dann bitte ich um ein paar erhellende Tipps. Vielen Dank.


 
pm
schreibt am
08.01.2007 (10:14 Uhr)
Zu Deiner Kritik an GAS

Hallo leber Paul,
vorhin habe ich Text gesendet, war aber wohl noch nicht wach.

Bin mir nicht sicher,ob ich mich eingetragen hatte. Habe leider mine Formulierung nicht abgespeichert.

Jetz kanns Du hoffentlich meine Antwort auf deine Kritik zuordnen.

Gruß, Paul Miitelbach


 
pm
schreibt am
08.01.2007 (10:34 Uhr)
Zu Deiner Kritik an Gas

Hallo Paul,

Deine Kritik ist berechtigt.
Das Ganze ist mit der heißen Nadel gestrickt, um einen Einruck möglichst frisch zu verarbeiten.
Was die beiden "nuns" betrifft, so ist das kein Kunstgriff,da habe ich geschlampt.

In meinen Texten will ich auch dem Alltag einen Reiz abgwinnen.
Deswegen schildere ich ab und zu, was ich selbst erlebt habe. In diesen Momentaufnahmen ist wenig Platz für wörtliche Rede.

Die Bilder von Edward Hopper zeigen etwas von diesem trockenen Existenialismus, wie sprachlos und beziehungslos Menschen untereinander und im Raum seinkönnen.

Ich schneide und drucke Holzschnitte und vielleicht fließt etwas von dieser verkürzenden Graphik auch in meine Texte ein.

-> www.der-holzwurm.de

Natürlich verwende ich diese Kritik, um GAS zu überarbeiten und zu verbessern.

Dazu gehe ich ja in diese intime und doch distanzierte Öffentlichkeit z.B. von PAPYROS.

Liebe Grüße,


 
su
schreibt am
08.01.2007 (13:06 Uhr)

beim lesen bemerke ich, wie eng das wort "gas" mit dem ns-regime bei mir verknüpft ist. hatte vielleicht erwartet, dass etwas in diese richtung geschrieben steht. dann beim lesen machte sich die erwartung an eine explosion breit - aber auch das nicht. du hast meine erwartungen nicht erfüllt und das gefällt mir sehr.
die geschichte endet auf eine derart unspektakuläre art & weise, dass ich versuchte, die aussage im kleinen alltäglichen detail zu finden - denn du musst dir ja etwas tiefsinnigeres bei gedacht haben, geh ich mal von aus. so wälze ich die worte hin & her. muss an viele eigene begebenheiten denken, die klein schienen, aber groß waren - begebenheiten, die groß schienen aber klein waren. ich denke nach über die zeit in der relation zum leben, über den sinn & den unsinn von administrativem stress und darüber, dass mir immer wieder richtig scheint, dass wenn alle einer meinung sind auch alle unrecht haben können.
ob das mit dem text noch etwas zu tun hat, ist fraglich & auch gar nicht wichtig. er hat mich angeregt.

zwei sätze, die mir sehr gefallen sind:
"Auf uns wirkt das alles ziemlich chaotisch, aber es muß wohl ein Plan dahinterstecken."
"Die Straße liegt wieder breit und leer vor uns."

weiterhin hast du mich nach einer sehr realen geschichte in deinem letztes text mit dem wechsel in die lyrische form hart umgehauen - und das will ich wieder! es klingt, so alleinstehend, sehr nach dem, was ich persönlich lediglich in ein tagebuch eintragen würde.

liebe grüße von su


 
ja
schreibt am
13.01.2007 (11:59 Uhr)
Distanz

Da ich mit "Gas" eher das Flüchtige assoziiere, finde ich den Titel super gewählt. Auch das abrupte Ende stört mich nicht. Der Ablauf - bzw. die Schilderung - ist nicht ohne Spannung; ich glaube wegen der Details. Ich finde aber den Satzbau etwas monoton, ermüdend. Was beabsichtigt sein mag. Es will kein Rhythmus entstehen, kein (Erzähl-)Fluss. Es ist wie mitgeschrieben, aber wenig erlebt. Grobgeschnitzt, könnte man sagen.

Phänomenologisch, fällt mir nach Lektüre deiner Erläuterung ein, aber gerade nicht existentialistisch, da nicht konsequent perspektivisch.
Die Beziehungslosigkeit ist sehr gut abgebildet. Trotz des "wir" und "uns".

Manfred


 

Verfassen Sie einen Kommentar:




Benachrichtigung bei neuen Kommentaren:
Funktioniert auch ohne geschriebenen Kommentar ;)

Kommentare ausblenden.
Erstellen Sie eine Benachrichtigung. Erfahren Sie mehr über den Autor oder nehmen Sie Kontakt auf. Sie können den Text verschicken. Oder suchen Sie etwas Bestimmtes? Der Direktlink.

© 2025 pm . Dieser Text unterliegt dem Papyros Copyright Gesetz.
    Papyros.org - Hier Lesen, Denken und Schreiben!
  • Startseite
  • Editorial
  • Projekte
     
  • Lesen
  • Denken
  • Schreiben
     
  • 1239 Texte
  • Autoren
  • Rubriken
  • Zufallstreffer
     
  • Die Seite für Autoren
     
  • Neuste Texte
  • Neuste Kommentare
  • RSS Feed abonnieren
  • Impressum