Samstag, 31. Mai

Veröffentlichung von LK vom 29.10.2007 in der Rubrik Sehnsucht. Letzte Änderung am 29.10.2007.

 

Nebellichter

Rauch treibt auf den Dächern der Stadt. Nebel sickert lautlos in die Straßen. Die Betonriesen verbergen sich wie Klippen in der Nebelsee. Das Licht der Staßenlaternen glimmt scheu durch den milchigen Vorhang, versucht mit seinen gelben Armen wie Leuchtfeuer die umher irrenden Menschen zu leiten. Stumm kriechen die Elektrischen durch die Stadt. Das dumpfe Rauschen des Verkehrs rollt wie ferne Brandung gegen die Häuserklippen, erstirbt und bleibt entgültig liegen.

Kreischend reißt der stählerne Lindwurm wieder einmal mein Leben mit sich fort. Die roten Rücklichter jagen davon, werden vom Nebel verschlungen und lassen mich allein in den Schwaden zurück. Ihr Herzschlag erstirbt in meinem Ohr wie zuvor die Brandung an den Häuserwänden. Eisblumen blühen im Reif an den Fenstern. Es schlägt nur noch der Takt der Musik.

Mit dem Zug verlor die Welt auch alle Farben. Jetzt ist alles grau und trist um mich herum. Der Nebel verbirgt die Sonne, die niedrig am Himmel steht. Nur selten dringt ihr Antlitz durch die Rauchschwaden und zeigt sich als silberweiße Scheibe hinter dem dichten Grau. Die Menschen drängen sich unauffällig in der Bahn zusammen, versuchen ihr bisschen Privatsphäre vor den anderen abzuschirmen. Ich versuche dagegen nur einfach nicht da zu sein.

Endlos scheint die Zeit sich zu dehnen. Träge gleiten die Augenblicke durch das Nebelmeer, vermischen sich mit dem Rauch und treiben mit ihm über die Dächer der Stadt. Nichts hat sich geändert. Noch immer verbirgt der Nebel das jenseitige Ufer der Staßen. Die Klippen der Betonriesen stehen schweigend im Meer aus Nebel, Rauch und Augenblicken. Unter ihnen stehe ich und blicke den roten Lichtern nach.

Die Finsternis ist kalt ohne sie. Ihre Dunkelheit ist es, in die ich mich wärmend legen will.

 

Luc

 
Hat Ihnen dieser Titel gefallen? Ja oder Nein
Schatten   Zara  

Möchten Sie über neue Kommentare informiert werden?

Dann speichern Sie hier Ihre E-Mailadresse. Selbstverständlich wird Ihre E-Mailadresse für keine anderen Zwecke missbraucht. Darauf können Sie sich verlassen!


In jeder Mail befindet sich ein Link zum Löschen Ihrer E-Mailadresse.

Es wurde ein Kommentar geschrieben. Erfahren Sie mehr über den Autor oder nehmen Sie Kontakt auf. Sie können den Text verschicken. Oder suchen Sie etwas Bestimmtes? Der Direktlink.

© 2025 LK . Dieser Text unterliegt dem Papyros Copyright Gesetz.
    Papyros.org - Hier Lesen, Denken und Schreiben!
  • Startseite
  • Editorial
  • Projekte
     
  • Lesen
  • Denken
  • Schreiben
     
  • 1239 Texte
  • Autoren
  • Rubriken
  • Zufallstreffer
     
  • Die Seite für Autoren
     
  • Neuste Texte
  • Neuste Kommentare
  • RSS Feed abonnieren
  • Impressum