Feministischer Epilogzu "Einstein´s Dreams" von Alan Lightman ... hätte Einstein seinem langjährigen Freund von seinen vielen, während der Arbeitszeit im Patentamt geträumten Zeitwelten erzählt, hätte das Besso in Zweifel über seine Unversehrtheit gestürzt. Nicht über die seines Intellekts: Besso glaubte an den Genius Einsteins, der sich ständig von der realen Welt abzuheben verstand, um vollkommen neue Erklärungen für sie zu finden. Doch um den Menschen Einstein sorgte er sich. Einstein aß nur, wenn man ihn mehrmals an seinen Hunger erinnerte, kleidete sich unaufmerksam und sein später berühmter, wuscheliger Haarschopf, war einzig ein nicht gepflegter. Er vernachlässigte sich. Seinen Körper jedenfalls. So viele Nächte in Arbeit verbracht, dass er auf dem Patentamt regelmäßig unfreiwillig Schlaf, wenn auch leichten, nachholen musste. Ein Blick in Einsteins vor sprühendem Geist funkelnde Augen aber beruhigte Besso, überzeugte ihn von seines Freundes äußerster Lebendigkeit. Seinem Geist gab Einstein alles, was er verlangte: Nahrung, Pflege, Ordnung. Um ihn kümmerte er sich liebevoll und zeitaufwendig. Zeit und ihre Varianten… das große Thema in Einsteins Leben. Das große Thema, dass vieles andere verdrängte. Ein wenig verärgert vielleicht, war Besso manchmal, wenn er beobachtete, was Einstein in seinem Umfeld brach liegen ließ. Ihre Freundschaft litt nicht. Ein reger Briefwechsel versicherte beide Männer immer wieder ihrer Nähe. Aber andere Menschen um Einstein herum kamen Bessos Meinung nach zu kurz. Unausgeglichenheit ärgerte diesen ruhigen Pol in Einsteins Leben. Fragen brannten ihm an manchen Tagen im Mund, dass er sie beinahe ausgespieen hätte. Wie, so würde Besso ihn dann gerne fragen, würdest du die Zeitweltenvariante beschreiben in der du lebst? Hattest du auch einen Traum, der handelt vom Zeitgeschehen in deiner Familie? Hast du bemerkt, wie du Zeit verstanden hast zu bündeln? Zeit, die du brauchtest um deine Theorien über sie zu entwickeln? Ist dir gewahr geworden, wie du Zeit gebrauchst, während du sie untersuchst? Tag und Nacht hattest du Zeit für sie: die Zeit. Nahmst sie dir. Nehmen von wo? Kann man Zeit nehmen? Woher? Und von wem? Deine Frauen und deine Kinder, ich, die wir deine Freunde sind, könnten antworten: von uns. Denn wir alle haben dich vermisst. Vermissen ist ein Zeitbegriff, denn nur, wenn etwas oder jemand zu lange fort ist, vermisst man. Und obendrein, so würde Besso anführen und seinen alten Freund gleichzeitig dafür um Verzeihung bitten, musste sich jemand Zeit nehmen, um sich um all das zu kümmern, was dir Zeit stehlen würde. Um dein Haus, deine Kinder, deine Geschäfte. Deine Frauen taten es. Sie gaben ihre Zeit für dich. Zeit, die sie auch leidenschaftlich mit ihren Gedankenwelten in ihrem regen Geist verlebt haben könnten. Sie verstrich und versickerte in deine vielen Kinder in deinen beiden Häusern. Hätten sie sich dem verweigert, hätte dir eine gewisse Ruhe für deine Arbeit gefehlt? Was, mein Freund, würde Besso, wieder mit schlechtem Gewissen, aber entschlossen fragen wollen, hast du über die Zeit deiner Frauen gedacht, in der sie mit dir lebten? Gibt es für dich eine Zeiteinteilung? Eine in männlich und weiblich, in geistig verdachter Zeit und körperlich verarbeiteter oder emotional verbrachter? In genommene und gegebene Zeit? Kann sie gestohlen werden? Geschenkt? Oder, wenn man sie sich einfach nimmt, muss man sie nicht irgendwann zurückgeben? Aber er fragte ihn niemals. Nicht in diesem Leben. |
..das tut weh, wie eins auf die Finger zu bekommen.
Schmerzhaftes Engelwerk deinerseits.Danke.:)
erwischt? Danke sehr für´s auf Dich wirken lassen.
Musste diese Fragen mal in den Raum werfen;)
Das Buch ist übrigens sehr empfehlenswert.
Find ich gut geschrieben, obwohl oder weil sehr thesenhaft in den Fragen dargestellt.
Musste dabei immer an einen Freund denken, der in der Zeit einer Krise mich höchst philosophisch am Telefon fragte, wie man es nun sagt, wenn man älter wird: "Ich gewinne Zeit." oder "ich verliere Zeit."?
erwischt!
hab mir mal sagen lassen ich sei selbstgerecht.
Stimmt.Ich nehme mir Zeit wie ich sie brauche und blende dabei viele/s aus.