Samstag, 20. September

Veröffentlichung von dp vom 16.04.2007 in der Rubrik Leben.

 

Einen Augenblick, bitte

Heute steht Herr Geist auf
und trinkt seinen morgendlichen Tee.
Wie oft zu dieser Jahreszeit
glitzert der Staub um die Bücher.

Auf der Treppe steht Frau Seusel
und grüßt den hastig laufenden
mit ihrer immer guten Laune;
vor allem im Sommer.

Herr Beitz sitzt mit seinen Kindern
beim Frühstück und sieht Frau
Seusel auf den Stufen im Hof;
neben den Mülltonnen.

Der Müllmann kam im Regen
letzten Freitag - der einzige Regentag.
Seine Frau hatte ihn ausgelacht deswegen;
und er in einem Zorn, verlor das Medaillon.

Die ganze Nacht von Freitag zu Samstag
lag es zwischen Wänden aus Mülltonnen
und wartete vergebens und weinte;
als der Morgen graute.

Schon bald trocknete der Samstagmorgen
den Hof und die Mülltonnen.
Nur die hintersten Ecken
bekamen nichts ab.

Das Wochenende war schwer beladen
und drohte Herrn Geist
in den Rücken zu fallen;
bei günstiger Gelegenheit.

Frau Seusel war noch Jahre lang
die Hauswartsfrau in dem Mietshaus.
Herr Beitz sucht bald eine günstigere Wohnung
nach dem sein Ältester aus dem Hause war.

Nur Herr Geist kam nicht mehr wieder
Und zwischen den Wänden aus Menschen
wurde er nichts weiter
als ein flüchtiger Augenblick.

 
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Zeit   Vergänglichkeit   Leben   Geschichte   Gesellschaft   Vorbei  
 

Kommentare zum Text "Einen Augenblick, bitte":

bp
schreibt am
18.04.2007 (09:33 Uhr)
Bester Hinterhof!

Treppenhaus und Hinterhof, urberliner Orte, in einer verbogenen, anfassenden, verflüchtigten Geschichte verewigt. Ich liebe (!) dieses Gedicht über alle Maßen!


 
cl
schreibt am
10.05.2007 (14:23 Uhr)
zwischen den Wänden aus Menschen

Ein tolles Gedicht! Gefällt mir super gut!
Vorallem die letzten zwei Zeilen haben es mir angetan.
Außerdem finde ich toll wie du es aufgegriffen hast, dass alle dadurch verbunden sind, dass sie zusammen in einem Haus wohnen, jedoch ansonsten nichts miteinander zu tun haben...
Eben nur ein Augenblick zwischen Wänden aus Menschen...!
Auch wunderschön, dass dieses Gedicht einen winzigen Einblick der Menschen im Hinterhof gibt.


 
la
schreibt am
12.05.2007 (10:11 Uhr)

Ich mag solche Texte sehr, in denen mit unglaublicher Ruhe
Bilder entstehen, in die man aber hineingesogen wird.
Besonders nachgehangen hat mir Herr Geist, der wohl mehr als Beobachter, sich nicht in die kleinen Dramen der Nachbarn verstricken ließ.
( wie ernsthaft weise von ihm )...aber in den Genuß von Nähe kam er nicht...

Seufz!!! Einfach nur wunderbar!

lg und ein intimes Wochenende wünscht la


 

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